Ich bleibe übrigens dabei, dass ich das Versagen der russischen Streitkräfte in der Ukraine nicht nur auf den Zustand derselben zurückführe, sondern auf ein Versagen der von Korruption unterwanderten Nachrichtendienste. Denn es gibt Hinweise, dass Putin selbst gar nicht richtig informiert war. Die Russische Föderation unterhält vier große Nachrichtendienste: FSB, GRU, SWR und FSO. Schauen wir uns diese zuerst näher an:
Der FSB
Federalnaja Slushba Besopasnosti = Föderaler Dienst für Sicherheit. Der FSB ist der Nachfolger des KGB (Komitet Gosudarstwennoj Besopasnosti = Komitee für Staatssicherheit). Der FSB ist hauptsächlich für die innere Sicherheit zuständig. Der aktuelle Leiter ist General Aleksandr Bortnikow. Sitz des FSB ist die Lubjanka in Moskwa. Der FSB umfasst 350.000 Mitarbeiter und ist in 8 Abteilungen gegliedert:
- Spionageabwehr
- Dienst zum Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung und zur Terrorismusbekämpfung
- Wissenschaftlich-Technischer Dienst
- Dienst zum Schutz der Sicherheit der Wirtschaft
- Operative Informationen und internationale Beziehungen
- Organisations- und Personalarbeit
- Unterstützungsdienst
- Kontrolldienst
Dem FSB unterstellt sind außerdem die Spezialeinheiten »Alfa« und »Wimpel«. Der FSB hat mittlerweile, ähnlich wie der KGB während der Sowjetära, eine zentrale Stellung unter den staatlichen Organen. Vor allem seit dem Amtsantritt von Wladimir Putin, selbst ehemaliger FSB-Direktor, erhalten der FSB und andere Nachrichtendienste wieder mehr Gewicht. Durch verschiedene Reformen wurden der FSB und sein Einfluss im Staat kontinuierlich ausgebaut. Beispielsweise wurden die Grenztruppen und die Föderale Agentur für Regierungskommunikation und -information (FAPSI) größtenteils in den FSB integriert. In der Folgezeit platzierte Putin mindestens 150 ehemalige KGB- bzw. FSB-Kader in wichtige politische und ökonomische Bereiche. Dazu gehören die Russische Präsidialverwaltung, die als einträgliche Einnahmequelle geltenden föderalen Zolldienste, der Sicherheitsrat und noch andere Regierungsposten.
Verbindungen zum FSB haben auch der stellvertretende Sekretär des Ständigen Komitees der Russisch-Belarussischen Union, der Generaldirektor der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (bis 2015) und der ständige Vertreter Russlands bei der NATO. FSB-Agenten sind auch in der freien Wirtschaft vertreten, auffallend oft in den Vorständen von Erdgas- und Erdölunternehmen, wie Gazprom, Rosneft, Slawneft, Sibur, Itera und Nowatek. Bedeutende private Ölkonzerne wie Jukos und Sibneft wurden unter Putins Präsidentschaft von den staatlichen Firmen Rosneft und Gazprom übernommen und stehen damit ebenfalls unter dem Einfluss des FSB.
Die GRU
Die Glawnoje Razwediwatelnoje Uprawlenije = Hauptverwaltung für Aufklärung ist der Militärnachrichtendienst und damit direkt dem GenShtab (Generalstab) unterstellt. Leiter der GRU ist Admiral Igor Kostjukow. Die Aufgabe der GRU ist die nachrichtendienstliche Beschaffung aller militärisch relevanten Informationen sowie die Spionageabwehr innerhalb der russischen Streitkräfte. Wie viele Mitarbeiter die GRU hat, ist unbekannt, es gibt jedoch vier Hauptdirektionen:
- Direktion: Europäische Union
- Direktion: Nord- und Südamerika, Vereinigtes Königreich, Australien und Neuseeland
- Direktion: Asien
- Direktion: Afrika
Diesen Hauptdirektionen sind 11 missionsspezifische Direktionen unterstellt:
- Direktion: Operative Aufklärung
- Direktion: Elektronische und Signalaufklärung
- Direktion: NATO allgemein
- Direktion: SpetsNaz (Spezialeinheiten)
- Direktion: Militärtechnik
- Direktion: Militärwirtschaft
- Direktion: Strategische Doktrin
- Direktion: Informationsoperationen
- Direktion: Weltraumaufklärung
- Direktion: Betrieb und Technik
- Direktion: Hauptabteilung Außenbeziehungen
Ferner unterhält die GRU mit der Spezialeinheit SpetsNaz eine operative Kommandoeinheit für unkonventionelle Kriegführung und Terrorismusbekämpfung, die in der Lage ist, verdeckt auf sich allein gestellt hinter feindlichen Linien zu operieren. Ebenso finanziert die GRU gezielt EU-feindliche Parteien, um die Europäische Union zu schwächen; in diesem Zusammenhang wurde auch eine Einflussnahme auf das Brexit-Referendum nachgewiesen.
Der SWR
Der Slushba Wneshnei Razwedki = Dienst der Außenaufklärung ist der russische Auslandsnachrichtendienst. Die Aufgabe des SWR ist die Beschaffung von Informationen über Politik, Ökonomie, Wissenschaft und Technik im Ausland. Darüber hinaus versucht der SWR, Aktivitäten und Arbeitsweisen anderer Nachrichtendienste auszukundschaften (Gegenspionage). Leiter des SWR ist Sergej Narishkin. Der SWR beschäftigt offiziell etwa 13.000 Mitarbeiter und umfasst acht Direktionen:
- Direktion PR: Politischer Nachrichtendienst
- Direktion S: Illegaler Nachrichtendienst
- Direktion X: Wissenschaftliche und technische Aufklärung
- Direktion KR: Externe Spionageabwehr
- Direktion OT: Operative und technische Unterstützung
- Direktion R: Operative Planung und Analyse
- Direktion I: Computerdienst (Information und Verbreitung)
- Direktion für Wirtschaftsnachrichtendienste
Der SWR rekrutiert aktiv russische Staatsbürger, die im Ausland leben. Es wurde berichtet, dass der SWR erfolgreiche russische Geschäftsleute im Ausland und eine nahe Anzahl von Ausländern ausbeutet, die unter Androhung der Todesstrafe die Treue schwören.
Der FSO
Der Federalnaja Slushba Ochranij = Föderaler Dienst für Bewachung ist für die Sicherheit der Regierung und den Schutz hoher Staatsbeamter einschließlich des Präsidenten zuständig. Er umfasst etwa 50.000 Mitarbeiter, Leiter ist Dmitrij Kosthnew. Weitere Hauptaufgaben des FSO sind:
- Vorhersage und Identifizierung von Bedrohungen
- Gewährleistung der Sicherheit staatlicher Schutzobjekte;
- Sicherstellung staatlicher Kommunikation
- Beteiligung an der Terrorismusbekämpfung
- Gewährleistung des Schutzes geschützter Objekte
- Verhütung, Aufdeckung und Bekämpfung von Straftaten
- Sicherstellung des Funktionierens der Informationssysteme
- Gewährleistung der Informationssicherheit
- Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten
Der FSO arbeitet eng mit dem MWD (Innenministerium) und der “Rosgwardija” (Nationalgarde) zusammen. Dem FSO ist außerdem die Kommandantur des Kremls samt dem Kreml-Regiment unterstellt. Im März 2017 erhielt der Dienst das Recht, Grundstücke für staatliche Bedürfnisse zu beschlagnahmen (die JEDES Objekt umfassen können), im Juni 2017 wurde es möglich, den Verkehr auf den Autobahnen einzuschränken. Fahrzeuge des FSO dürfen von der Polizei nicht angehalten werden.
Totalversagen
Im März 2022 wurde von einem russischen Oppositionellen ein Bericht geleakt, im dem ein FSB-Mitarbeiter von einem »Totalversagen« Russlands in der Ukraine spricht. So hätten die Mitarbeiter des FSB lange für vermeintlich hypothetische Planspiele Analysen geliefert, die die Politik hören wollte: „Aber dann stellt sich heraus, dass die Hypothese Realität geworden ist, und die Analyse, die wir dazu durchgeführt haben, ist totaler Müll“ heißt es in dem Bericht. Wenig später schreibt der FSB-Mitarbeiter: „Wir sitzen bis zum Hals in der Scheiße!“. Weiter heißt es (in Auszügen):
„Der Blitzkrieg ist fehlgeschlagen. Mit vernünftigen Informationen vorab hätten wir zumindest darauf hingewiesen, dass der Ursprungsplan strittig ist, dass man vieles überarbeiten muss, sehr vieles.“
Die Ukrainer und die ukrainische Armee seien extrem motiviert und hätten gute Waffen und Kommandeure. Der Analyst schreibt: „Wir werden einen Präzedenzfall für menschliche Katastrophen in der Welt schaffen. Jetzt sind sogar diejenigen, die uns loyal gegenüber waren, gegen uns.“
Russland kann aus zwei Gründen keine Generalmobilmachung ausrufen: Erstens »zerreiße« diese das Land politisch, wirtschaftlich und sozial; und zweitens sei die Logistik »schon heute überlastet«.
Der FSB muss weitestgehend im Unklaren über die Einmarschpläne von Putin gelassen worden sein. Auch zwölf Tage(!) nach Beginn der Invasion, fehlte den Nachrichtendiensten der Überblick. So könne niemand im Kreml genau sagen, wie viele Tote es auf Seiten der russischen Armee gebe, weil „wir den Kontakt mit wichtigen Einheiten verloren haben“. Den weiteren Verlauf des Krieges skizziert der russische FSB-Analyst düster. So habe Russland „keinen Ausweg mehr: Es gibt keine Optionen für einen möglichen Sieg, nur Niederlagen (…) Selbst mit minimalem Widerstand der Ukrainer bräuchten wir mehr als 500.000 Mann, Nachschub und Logistik noch nicht eingerechnet.“ Das Fazit des Nachrichtendienstlers: „Unsere Lage ist wie die Deutschlands zwischen 1943 und 1944 – nur, dass es unser Startpunkt ist.“
Diese Zeilen sind inzwischen fast ein Jahr alt. Vieles hat sich bewahrheitet. Ein weiterer Anhaltspunkt ist, dass die russischen Streitkräfte in der Ukraine völlig entgegen ihrer eigenen Doktrin operieren. Die russische Einsatzdoktrin basiert im Wesentlichen auf »Tiefen-Operationen« starker gepanzerter Verbände. Hierbei zielt die Taktik auf tiefe Stöße an geeigneten Frontabschnitten ab. Wesentliche Merkmale hierbei sind Hauptschläge mit unterschiedlicher Schwerpunktbildung nach dem »Prinzip der Masse«. Das heißt: Man bekämpft einen Feind im »Gefecht der verbundenen Waffen« mittels Schockwirkung durch Übermacht. Die Einnahme von Ortschaften sollte hierbei möglichst VERMIEDEN werden, um nicht in verlustreichen Häuserkämpfen aufgerieben zu werden. Städte sollten umgangen oder blockiert werden.
Ein erfolgreicher Durchbruch der Verteidigungslinien und das Nachführen weiterer eigener Teile in die Tiefe des gegnerischen Territoriums, durch die Verteidigungslinie des Gegners, verlangt eine minuziöse Angriffsvorbereitung auf Seiten der Armeestäbe. Schaut man sich den Verlauf des Krieges in der Ukraine an, wird schnell klar, dass von einem Vorgehen gemäß der eigentlichen Doktrin keine Rede sein kann. Eine Aufklärung fand vor dem Angriff ebenso wenig statt wie die Formulierung klarer Ziele. Die Stäbe auf Armeeebene wurden über Aufstellung, Ausrüstung und Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte weitgehend im Unklaren gelassen. Mangels topografischen Kenntnissen bewegte sich der russische Vormarsch vor allem auf Landstraßen (weil die Originalkarten noch aus der Sowjetzeit waren, die Grenzlinien wurden nachträglich gezogen). Die Russen wussten häufig nicht, wo sich die verstreuten ukrainischen Stellungen befanden. Mangels Aufklärung und Koordination konnte die ukrainische Luftverteidigung nicht ausgeschaltet werden, russische Jagdbomber und Helikopter wurden zu dutzenden abgeschossen.
Selbst jetzt, nach über einem Jahr anhaltender Kämpfe scheinen die Russen aus ihren Fehlern nicht zu lernen, was auf eine völlig an der Realität vorbeigehende Informationskampagne innerhalb der Streitkräfte schließen lässt. Die russische Führung verheizt ihre Soldaten und Fahrzeuge nach wie vor rücksichtslos in der Hoffnung, IRGENDWIE noch IRGENDWELCHE Resultate zu erzielen.
Am 14. April 2022 wurde der Raketenkreuzer »Moskwa« durch ukrainische Raketen versenkt. Der Kreuzer war von sich aus in die Reichweite der ukrainischen Raketensysteme gelangt, was darauf schließen lässt, dass weder der Stab der Schwarzmeerflotte noch die Schiffsführung Kenntnisse von den Neptun-Raketen hatte. Das deckt sich mit dem Fakt, dass die Firma, welche diese Raketen herstellt, erst NACH der Versenkung der »Moskwa« angegriffen wurde. Das Schiff selbst fuhr einen vorhersehbaren Patrouillenkurs. Weiterhin war die “Moskwa” laut einem Matrosen, der später ein Interview gab, überhaupt nicht richtig einsatzfähig: „Es gab keine Raketen für den Langstrecken-Flugabwehrkomplex »Fort«, die Radarsysteme arbeiteten mangels Überholungen unzuverlässig, man nutzte zivile Apps wie »FlightRadar« um Flugbewegungen zu überwachen.
WENN DAS DER WOLODJA WÜSSTE…
Egal was in Diktaturen schief läuft, einige Naivlinge glauben immer, der oberste Führer weiß von nix. Das geht von “Wenn das der Adolf wüsste!” über “Wenn das der Stalin wüsste!” bis zu “Wenn das der Erich wüsste!” Aber gut, solche Leute sind halt nicht die hellsten Kerzen auf der Torte. Eine Szene, die darauf hinweist, wie es in Putins engstem Kreis zugeht, konnte man zwei Tage vor Beginn des Krieges beobachten, weil sie live im TV übertragen wurde.
21. Februar 2022: Der Nationale Sicherheitsrat der Russischen Föderation tagt. Also eigentlich tagt er nicht, Putins Schergen holen sich ihre Befehle ab. Putin sitzt im besten Bond-Bösewicht-Modus an einem verzierten Schreibtisch im Katharinensaal des Kreml, seine Untergebenen sitzen knappe 10 Meter entfernt, wie eine Schulklasse, die sich vom Lehrer ein paar Lektionen abholt. Putin genießt die Szene sichtlich, jedenfalls deutet sein süffisantes Grinsen auf Genuss hin. Thema ist die Situation der selbsternannten »Volksrepubliken« Donezk und Luhansk und die Anerkennung von deren Unabhängigkeit. Putin nimmt die Hände wie zu einem Gebet zusammen, beißt sich immer wieder auf die Lippen und sagt: „Mein Ziel ist es, Sie, meine Kollegen, anzuhören, um die nächsten Schritte zu überlegen.“ Eine bizarre Schulstunde beginnt. Wie ein Oberlehrer ruft Putin den Parlamentsvorsitzenden, verschiedene Minister und Berater auf. Sie alle treten vor und sagen: „Anerkennen!“
Auftritt Sergej Narishkin, Chef des SWR. Sichtlich nervös tritt er ans Rednerpult:
Putin: „Sprechen Sie offen!“
Narishkin: „Ich werde den Vorschlag zur Anerkennung unterstützen.“
Putin: „Sie werden ihn unterstützen oder Sie unterstützen ihn? Sprechen Sie deutlicher!“
Narishkin fängt an zu stottern: „Ich unterstütze den Vorschlag.“
„Sagen Sie es!“ knurrt Putin, jetzt sichtlich angepisst „Ja oder nein?“
Narishkin verhaspelt sich: „Ich unterstütze den Vorschlag, die Volksrepubliken Donezk und Luhansk in die Russische Föderation einzugliedern.“
Putin, sadistisch grinsend, duldet keine Abweichung vom Drehbuch: „Darum geht es jetzt nicht!“, scheißt er Narishkin an. „Darüber diskutieren wir hier nicht! Es geht um die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit oder nicht!“
Narishkin (reißt sich mit Mühe zusammen): „Ja, ich unterstütze die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit.“
Putin (grinst süffisant): „Danke, Sie können sich setzen!“
Fassen wir zusammen: Der Chef des SWR wird von Putin vor laufender Kamera öffentlich zurechtgewiesen wie ein Schüler, der seine Hausaufgaben nicht erledigt hat. Man kann sich das Video auf YouTube anschauen, sowohl im Original-Ton als auch mit englischen Untertitel:
Man muss nur Narishkins Körpersprache deuten: Es ist als würde ein Teil seines Verstandes aussetzen, wenn er darüber nachdenkt, was bevorsteht. Drei Tage später verkündet Putin den Beginn der »Spezialoperation«
Am 26. Februar 2022 bejubelt die Nachrichtenagentur RIA in einem vorbereiteten Kommentar irrtümlich den Sieg Russlands. Der Text ist noch lesbar, hier ein Auszug:
„Eine neue Welt wird vor unseren Augen geboren (…) Russland stellt seine Einheit wieder her – die Tragödie von 1991, diese schreckliche Katastrophe unserer Geschichte, ihre unnatürliche Verwerfung, ist überwunden (…) Die Ukraine ist zu Russland zurückgekehrt. Das bedeutet nicht, dass seine Staatlichkeit liquidiert wird, aber es wird umstrukturiert, wiederhergestellt und in seinen natürlichen Zustand der russischen Welt zurückgebracht“. Quelle hier: https://web.archive.org/…
Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten russischen Kräfte in der Ukraine bereits aufgerieben und rund 2.500 russische Soldaten entweder tot oder verletzt. Die Logistik war zusammengebrochen, den russischen Invasionstruppen ging reihenweise der Sprit aus. Inzwischen dauert der Krieg über ein Jahr. Die Ukraine existiert immer noch. Die Ukraine kämpft immer noch.
Wo also beginnt das Versagen? Ganz klar bei der Aufklärung. Vor einer solchen Operation schaut man sich zuerst den Zustand der Bevölkerung an, in welcher Situation man operieren wird.
Beim FSB ist das die Abteilung 5: Operative Informationen und internationale Beziehungen, auch bekannt als »5. Kolonne«, denn es handelt sich um die Abteilung, die in der ganzen EU für die Unterwanderung von Medien und Politik durch pro-russische Kräfte zuständig ist. Bei der GRU für die aktuelle Lage zuständig sein müssten logischerweise die Hauptdirektionen 1 und 2 mit ALLEN missionsspezifischen Direktionen, was ganz einfach bedeutet, das die GRU eigentlich WISSEN MUSS, über welche Einheiten die Streitkräfte die Ukraine verfügen, welche Fähigkeiten diese haben, wo sie stationiert sind und wie deren operativer Zustand ist. Und die SWR hätte mit all ihren Abteilungen WISSEN MÜSSEN, wie die gesellschaftliche Situation in der Ukraine aussieht und dafür sorgen müssen, dass FSB und GRU die richtigen Schlüsse ziehen, deren Zusammenfassungen dann bei Putin auf dem Tisch landen.
Ich gehe übrigens davon aus, dass bei den russischen Nachrichtendienste keine kompletten Idioten arbeiten, denn es ist schwer, überhaupt einen Job dort zu bekommen. Und die »kleinen Mützen«, die am Computer sitzen und die Informationen auswerten, dürften durchaus die richtigen Schlüsse ziehen: Nämlich, dass Russland weder bedroht wird, noch in seiner Existenz gefährdet ist und dass die Ukrainer eigentlich nur in Ruhe gelassen werden wollen. Die »kleinen Mützen« verfassen also ihre Berichte, die dann irgendwann auf den Schreibtischen von Bortnikow, Narishkin und Kostjukow landen. Diese drei Typen, die mit Putin ganz dicke sind leiden aber unter demselben Verfolgungswahn wie Putin selbst, denn sie wissen genau, was passiert, wenn ihre eigene Korruption ans Licht kommt. Also erzählen sie Putin nur das, was Putin hören will: Es gibt eine Verschwörung des Westens, die Ukraine wird von Faschisten regiert, wir müssen reagieren sonst sind wir fällig! Das und Aleksandr Dugins Thesen zum »Panslawismus« bzw. der »Dreieinigkeit der russischen Völker« in der »Russischen Welt« sorgt für eine reichlich verzerrte Wahrnehmung im Kreml. Wenn Putin also behauptet, er wolle die Ukrainer von ihrem »Nazi-Präsidenten« Zelenskij »befreien«, ist es nach Ansicht vieler Beobachter nicht ausgeschlossen, dass er selbst davon überzeugt ist.
Anders ist es nicht zu erklären, warum die russischen Soldaten in der Ukraine ihre Paradeuniformen einpacken sollten und ihnen erzählt wurde, die Ukrainer würden sie als Befreier mit Blumen begrüßen. Was der Generalstab nicht realisiert hat, ist die Tatsache, dass die ukrainische Armee, die die Krim ohne Gegenwehr hat einnehmen lassen, heute nicht mehr der gleiche Sauhaufen (sorry, aber das war sie nun mal) ist wie 2014. Auch die geschlossene und harsche Reaktion des Westens auf den Angriffskrieg war von Putin und seinen Schergen anscheinend nicht erwartet worden. Sie waren felsenfest davon überzeugt, dass vor allem die EU-Staaten und ganz besonders Deutschland kuschen würden, schon allein wegen der Abhängigkeit von russischem Gas.
Regel Nummer 1: Wladimir Putin hat IMMER Recht! Wenn Langschläfer Wolodja in seiner Residenz Nowo-Ogarjowo bei Moskwa früh morgens im 12 Uhr aufgewacht und mit Schwimmen und Krafttraining in seinen Tag gestartet ist, trifft er sich zur mittäglichen »Morgenrunde« mit Vertrauten wie seinem Pressesprecher Dmitri Peskow, und erklärt ihnen seine Sicht der Weltlage. Die so Aufgeklärten tragen die neuen Erkenntnisse weiter an die Chefredakteure in TV und Presse, die sodann entsprechende Anweisungen an ihre Redaktionen geben. Abends sieht Putin dann im Fernsehen genau das, was er morgens vorhergesagt hat – und fühlt sich bestätigt: „Na, seht her, die Nachrichtenlage entspricht genau dem, was ich mir gedacht habe!“
Dazu muss man wissen: Putin nutzt das Internet NICHT. Er nutzt weder Smartphones noch Messenger-Dienste. Es ist bizarr, aber es ist so. Er bevorzugt auf Papier gedruckte Informationen. Dazu kommt: Putin HASST das Internet. In der Vergangenheit hat er das Internet als „Sonderprojekt der CIA“ bezeichnet und kritisiert, es sei „zur Hälfte Pornografie“. Putins Lieblingszeitung ist übrigens die »Komsomolskaja Prawda«. Deren Chefredakteur, Wladimir Sungorkin, erlitt am 14. September 2022 während einer Recherchereise in der abgelegenen Region Primorje, einen »Schlaganfall«.
In jedem Fall scheinen die für die Ukraine, EU und NATO zuständigen Abteilungen innerhalb des Nachrichtendienste ins Visier des Kremls geraten zu sein. Vor allem der FSB wurde von der Wut Putins getroffen: 150 Mitarbeiter sollen aufgrund von Versäumnissen, die den Ukraine-Krieg betreffen, entlassen, einige von ihnen sogar festgenommen worden sein.
DER ZUSTAND DER RUSSISCHEN STREITKRÄFTE
Am 15. Februar wurde Marina Jankina (58) tot vor einem Hochhaus in Sankt-Peterburg gefunden. Ihre persönlichen Dokumente seien laut Polizei auf einem Balkon im 16. Stock gefunden worden. Jankina war die Leiterin der Finanzabteilung des russischen Verteidigungsministeriums im Militärbezirk West und damit auch auch für die Finanzierung des Kriegs in der Ukraine verantwortlich. Laut verschiedenen Quellen ging sie der Frage nach, warum so viel Geld für Instandhaltung ausgegeben wurde, obwohl offenbar wenig instandgehalten wurde? Die Frau sah also ihre Bücher durch, sah die Probleme mit dem Gerät und zählte 1 und 1 zusammen. Das bezahlte sie mit ihrem Leben.
Das alles erklärt, wovon viele Analysten bereits in der ersten Phase des Überfalls ausgegangen sind: Dass Putin gar nicht über den tatsächlichen Zustand der russischen Streitkräfte unterrichtet war.
Das hängt auch mit der Propaganda zusammen. Das russische Fernsehen produziert eigene Militärshows. Eine davon ist »Woennaja Priemka« was man mit »Militärische Akzeptanz« übersetzen kann und die man auf YouTube und Amazon unter dem Namen »Combat Approved« sogar auf Englisch ansehen kann. Moderator Aleksej Egorow führt den Zuschauer durch dass russische Militär, besucht Waffenhersteller, Werften, Flugzeugwerke, Panzerfabriken, besichtigt U-Boote und Schiffe oder brettert mit einem Panzer durchs Gelände. Die Show erreicht in Russland ähnliche Einschaltquoten wie »Top Gear« in Großbritannien. Eine bessere Werbung gibt es nicht. Und ja, ich habe ALLE Episoden gesehen.
Wenn Putin also am 9. Mai auf dem Roten Platz die Parade zum »Tag des Sieges« abnimmt, die Panzer vorbeirollen und die Kampfflugzeuge über seinen Kopf donnern, dann glaubt er sich in einer “unbesiegbaren” Position. Seht her, wir sind wieder wer! Besucht Putin ein Militärmanöver, ist dessen Ablauf durchgeplant. Es gibt dutzende dieser Clips, die “vorrückende” Panzer zeigen während Kampfflugzeuge irgendwelche Attrappen und Holzhütten mit Bomben bepflastern. Natürlich kommt Putin auch hier zu dem Schluss: Niemand kann uns aufhalten! Und dann sieht er, wie seine “Superarmee” in der Ukraine den Arsch voll bekommt…
KORRUPTION
Der Pro-Putin-Pöbel (PPP) behauptet gern, die Ukraine sei das “korrupteste Land Europas”. Das ist gleich doppelt falsch. ERSTENS beeinflussen die Daten der hyperkorrupten (übrigens pro-russischen) Regierung von Janukowitsh VOR dem Euromaidan 2014 die Daten, die viele Leute in Deutschland gar nicht wahrgenommen haben. Denn im Grunde ist die Ukraine seit 2014 im Krieg. ZWEITENS ist das mit Abstand korrupteste Land Europas tatsächlich Russland. Korruption ist in Russland kein Phänomen, sie ist das System.
Die Korruption durchdringt ALLES: Ein Einzelzimmer im Krankenhaus? “Trinkgeld” für den Arzt. Ein Kindergartenplatz trotz Warteliste? Unbürokratisch lösbar. Das Auto besteht die Inspektion nicht? Eine Flasche Wodka für den Prüfer. Der faule Student kauft sich das Diplom einer Provinz-Universität. Der Raser schmiert den Verkehrspolizisten. Der Feuerwehrinspektor droht eine Firma wegen angeblicher Verstöße gegen das Brandschutzgesetz dicht zu machen. Er bekommt Geld auf die Hand. Selbst im Tod ist der Russe nicht vor Korruption sicher – mancherorts müssen Familien die Überreste ihrer Angehörigen aus Leichenhäusern freikaufen.
Und was im Zivilleben nur recht und billig ist, wird beim Militär weitergeführt: Schon beim Abzug der russischen Streitkräfte aus Ostdeutschland sind Fälle dokumentiert, da weiß man nicht, ob man sich verwundert die Augen reiben oder einen Lachkrampf bekommen soll:
Der Verwalter eines großen Depots in Oschatz, ein Sershant (Feldwebel), hatte 200.000(!) Armeedecken übrig und fragte beim kommandierenden Polkownik (Oberst) nach, was er damit machen solle, denn die Decken mit nach Hause zu schleppen hätte bürokratischen Aufwand bedeutet. Die Antwort des Polkownik war sinngemäß: „Abschreiben und drauf geschissen!“ Der Sershant schrieb die Decken ab. Allerdings schiss er nicht drauf, sondern verkaufte sie als sein Privateigentum an eine Wohlfahrtseinrichtung, für 1 DM pro Stück. Der Typ kassierte also 200.000 Mark. Würde mich nicht wundern, wenn er heute Oligarch ist.
Ein anderer Fall ist in Grimma dokumentiert: Beim Abzug der dortigen Garnison verkauften die Soldaten Diesel und Benzin an die Einheimischen (man brauchte ja nur genug Sprit, um bis zum Bahnhof zu kommen). Die Nummer flog auf, weil die gerade angeschafften Westautos die russische Plörre nicht vertrugen. Beim Abzug der russischen Streitkräfte aus der DDR rollten auf den Militärflugplätzen fast täglich Mercedes, BMW, Porsche und Jaguar in die Transportflugzeuge und flogen Richtung Osten. Sowohl Offiziere als auch einfache Soldaten hatten mit dem Verkauf mit Militärbeständen schnelles Geld gemacht, und sei es nur, um sich die lästige Bürokratie zu sparen.
Das Problem von Diebstahl aus den Depots der russischen Streitkräfte ist nicht neu, das hatten die Russen schon in Tschetschenien. Die Rebellen waren deswegen so gut ausgerüstet, weil russische Offiziere, die oft monatelang auf ihren Sold warteten, ihre Waffen verscherbelt haben, nur um ihre Familien zu ernähren. Und diese verscherbelten Waffen gerieten auf dem Schwarzmarkt massenweise in Umlauf.
Eine Inspektion wird angekündigt und im Depot fehlt Munition? Dann fackeln wir lieber das Depot ab. Ups, Blitzschlag! Bei den LKW fehlen Motoren, weil sie ausgebaut und verhökert wurden? Ups, das schreiben wir als Brandschaden ab! Im Depot fehlt Diesel, weil der Polkownik Heizöl für die Datscha brauchte? Ups, da sind halt 5.000 Liter daneben gelaufen – Loch im Schlauch!
Ein paar Gewehre und Sprengmittel können schon mal fehlen, die fallen bei der Masse nicht ins Gewicht. Ausgebaute Motoren, Getriebe, Optiken und Platinen bringen aber gutes Geld, wenn die richtigen Kunden mit gefüllten Bargeldkoffern vor der Tür stehen. Aber nur so eine kleine fehlende Platine oder Optik macht einen Kampfpanzer nutzlos.
Jetzt, wo man das Gerät an der Front braucht, stellt man fest, dass in den Bataillonen nur 10 von 30 Panzern einsatzfähig sind. Selbiges gilt auch für Ersatzteile, Schmier- und Treibstoffe, die im Zuge der turnusmäßigen Wartung von militärischen Gerät schlichtweg unterschlagen werden und somit die Funktionssicherheit bzw. Fahrbereitschaft massiv beeinträchtigen. In der Ukraine zeigte sich, dass LKW auf alten Reifen aus Sowjet-Produktion liegengeblieben waren oder sich mit Billigreifen aus China festgefahren hatten. Essensrationen (übrigens von Prigoshins Firmen!) waren seit Jahren abgelaufen und die Soldaten mussten Supermärkte plündern, um an Toilettenpapier und Instant-Kaffee zu kommen.
Interessant sind auch die großen Dinger, die gedreht werden: Der FSB deckte vor einigen Jahren auf, dass zwei Mitarbeiter eines Treibstoff-Depots der Armee von 2013 bis 2015 Diesel im Wert von umgerechnet rund 400.000 Euro (!) aus Eisenbahn-Zisternen gestohlen und an Tankstellen in der Region Wolgograd verkauft hatten. Das Treibstofflager gehörte zu einem Luftsturmbataillon in Südrussland.
Ein ähnlicher Fall ist im russischen Gebiet Twer, nördlich von Moskwa dokumentiert. Dort hatte der Chef eines Lagers für Flugzeugtreibstoff Kerosin im Wert von mehr als einer halben Million Euro erst abgeschrieben und später verkauft. Oder wie erklärt man sich, dass ein Starshij-Lejtenant mit einem Sold von 89.000 Rubel (1.155 Euro) im Monat einen neuen Toyota Land Cruiser fährt?
Wen interessieren da noch Peskows Luxusuhr oder Shoigus Villa (die er sich von seinem Beamtengehalt gar nicht leisten könne)?
Gibt es dann doch mal einen “Durchbruch” in der “Korruptionsbekämpfung”, so handelt es sich dann meist im Leute, die bei Putin oder anderen hohen Beamten in Ungnade gefallen sind.
Jetzt stellen wir uns mal vor was passiert wäre, wenn Putin den Befehl zum Einmarsch gegeben hätte und Generalstabschef Gerasimow ihm wahrheitsgemäß gesagt hätte: „Wolodja, vergiss es, mit dem Sauhaufen marschieren wir höchstens ins Verderben.“
Ich gebe zu, DAS Gespräch hätte ich zu gern live im TV gesehen…